2. Dezember 2021

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Microsoft: Worauf gilt es bei der Implementierung neuer Prozesse und Technologien zu achten?

Interview mit Jörg Konwalinka von Microsoft Österreich

Gemäß einer aktuellen Great Sales Force® Studie haben seit März 2020 (Start der Pandemie) 93,1% aller Unternehmen die Digitalisierung ihrer Unternehmen „geringfügig stärker“ bis „sehr stark“ vorangetrieben, dennoch nennen die meisten Unternehmen (64,2%) die Implementierung neuer Prozesse und Technologien als ihre größte vertriebliche Herausforderung in den kommenden zwölf Monaten.

Im Gespräch mit Jörg Konwalinka, Head of Business Applications von Microsoft Österreich, versuchen wir, die Gründe für dieses Phänomen zu beleuchten und unserer Leserschaft ein paar wertvolle Inputs in diesem Zusammenhang zu liefern.

Wie hat sich die unglaubliche Digitalisierungswelle generell bzw. bei Microsoft bemerkbar gemacht?
In Wirklichkeit war niemand auf diese Digitalisierungswelle vorbereitet; sie ist sowohl auf uns als auch auf unsere  Kunden völlig unerwartet hereingebrochen, wobei ich eigentlich eher von drei Wellen sprechen würde. In der ersten Welle lautete die Frage: Wie kann man sicherstellen, dass man überhaupt weiterarbeiten kann, ohne dass alles zusammenbricht? In der zweiten Welle stand folgende Frage im Vordergrund: Wie kann man Prozesse, die bis dato vor Ort – nämlich vom Büro aus – gesteuert wurden, so automatisieren, dass Effizienzverluste unter Remotebedingungen vermieden werden? In der dritten Welle ging es darum: Wie kann man remote/digital mehr Geschäft generieren?

Das ist sehr interessant. Könnten Sie die einzelnen Digitalisierungswellen noch ein bisschen näher im Detail beschreiben?

Sehr gerne. In der ersten Welle („Wie kann man sicherstellen, dass man überhaupt weiterarbeiten kann, ohne dass alles zusammenbricht?“) gab es bei uns zunächst einen riesigen Ansturm auf unsere Teams Applikation; das Gros der Anfragen kam aus dem Unternehmensbereich, aber auch der Schulsektor hatte aufgrund des Homeschoolings einen sehr akuten Bedarf.

Unmittelbar nachdem dieser Erstbedarf gedeckt war, kam das Thema Sicherheit ins Spiel. Es wurden Fragen gestellt wie: Wie kann man gewährleisten, dass sich nur die richtigen Leute einwählen?, Welche Informationen dürfen/können eigentlich von wem hin- und hergeschickt werden?, Wie kann man abteilungsübergreifend zusammenarbeiten? etc.

Zusätzlich wurde die Dramatik der ersten Welle durch einen weltweiten Hardwaremangel verschärft, denn plötzlich benötigte jeder im Homeoffice tätige Mitarbeiter von heute auf morgen einen Laptop, was natürlich binnen kürzester Zeit zu Lieferengpässen führte und die meisten IT-Abteilungen heillos überforderte.

Als sich die Situation schlussendlich beruhigte, stand schon die zweite Welle vor der Tür: Die Unternehmen begannen – teils schmerzlich – zu realisieren, dass nur sehr wenige ihrer Prozesse voll digitalisiert und die meisten Systeme abteilungsspezifisch ausgelegt waren; d. h. wichtige Teile ihrer Wertschöpfungskette waren vom Funktionieren der berühmten „biomechanischen“ Schnittstelle, dem Menschen, abhängig und remote nicht zugänglich bzw. steuerbar.

Somit war man mit der bereits eingangs erwähnten Frage konfrontiert, wie man Prozesse, die bis dato vor Ort – nämlich vom Büro aus – gesteuert wurden, so digitalisieren bzw. automatisieren kann, dass Effizienzverluste unter Remotebedingungen vermieden werden.

Das Resultat war eine immense Nachfrage nach unserer Microsoft Power Plattform – einer No-Code-Low-Code Applikation –, mit der auch Laien Apps, Prozesse und bestimmte Onlineservices ohne Hilfe von Programmierern entwickeln können.

So haben beispielweise beim Logistikdienstleister DB Schenker fünf Frauen – ohne jegliche IT-Vorkenntnisse – in kürzester Zeit eine Trainings-App für alle rund 77.000 Mitarbeiter an 2.100 Standorten entwickelt, mittels derer man an Trainings zu den gängigen Microsoft 365 Produkten teilnehmen oder einfach selbst kurzerhand ein Training erstellen und anbieten kann.

Und zu guter Letzt die dritte Welle, in der sich schlagartig alles darum drehte, wie man remote/online  mehr Geschäft generieren kann, wie man Kunden anspricht, die man nicht besuchen kann, wie man Marketingprozesse hyperpersonalisiert, wie man Webinare durchführt, wie man aus der Distanz serviciert etc. etc.

Eines der für mich eindrücklichsten Beispiele in diesem Kontext stammt aus der Maschinenbaubranche: Da die Servicierung im klassischen Sinne durch Lockdowns und diverse Reisebeschränkungen immer schwerer bis nahezu unmöglich wurde, wurden die Rufe unserer Kunden nach Optimierungs- und Remotelösungen immer lauter, was zu einem regelrechten Boost im Bereich Preventive und Predictive Analysis, aber auch zu hochinteressanten Mixed Reality Entwicklungen geführt hat.

Von Mixed Reality habe ich noch nie etwas gehört. Was versteht man darunter?
Bei Mixed Reality Applikationen wird die natürliche Wahrnehmung eines Nutzers mit virtuellen Elementen kombiniert. Mein persönlicher Favorit ist der „Dynamics 365 Remote Assist for HoloLens 2“, der es einem nicht nur ermöglicht, zu sehen, was der zu servicierende Kunde sieht, sondern man kann den Kunden auch unter Einbeziehung dynamischer Interfaces anleiten, das Service selbst durchzuführen. Wenn man das sieht, kommt ein gewisses „Star-Wars-Feeling“ auf 😉:

 

Was ist nun, wenn man eine dieser Digitalisierungswellen verpasst hat? In unserer Studie nennen 64,2 % der Unternehmen die Implementierung neuer Prozesse und Technologien als ihre größte vertriebliche Herausforderung in den kommenden zwölf Monaten. Wie erfolgskritisch ist es Ihrer Meinung nach, „gut digitalisiert“ zu sein?
Wenn man als Unternehmen in dieser Hinsicht jetzt nicht seine Hausaufgaben macht, wird es meiner Meinung nach zukünftig – bis auf wenige Ausnahmen – sehr schwierig sein, zu reüssieren. Zum einen, da man unter Remotebedingungen gewisse Kernprozesse nicht mehr oder nur sehr schlecht steuern kann und deshalb starke Effizienzverluste verzeichnen wird, zum anderen, weil man die in allen Bereichen immer größer werdende Datenflut nicht mehr verarbeiten und analysieren kann.

Der moderne Kunde erwartet bis zu einem gewissen Grad, dass man „alles“ weiß und wenn man über dieses Wissen aufgrund mangelnder Fähigkeiten zur Datenverarbeitung und -analyse nicht verfügt, bedeutet das einen Wettbewerbsnachteil.

Deshalb lautet meine Empfehlung: „Haben Sie keine Angst vor der Digitalisierung, es ist niemals zu spät, aber fangen Sie an! Fortschritt ist wichtiger als Perfektion!“ 😊

Bleiben wir beim Thema „Erste Schritte“. Wie kann / soll ein Unternehmen mit der „Digitalisierung“ starten? Welche Schritte sollten zuerst erfolgen?
Am Anfang steht die digitale Zusammenarbeit. Wenn Mitarbeiter nicht wissen, wie sie digital optimal zusammenarbeiten können, dann hat man ein grundsätzliches Problem.

Der zweite Schritt ist die Datenharmonisierung. Mittels Datenharmonisierung wird die Datenqualität und die Verarbeitbarkeit von Daten sichergestellt, was wiederum die Voraussetzung für hochwertige Datenanalysen darstellt, einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren in strategischen Entscheidungsprozessen.

Wenn man diese zwei Punkte abhaken kann, hat man die Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Digitalisierung geschaffen, vorausgesetzt, man hat seine IT-Landschaft auch noch entsprechend abgesichert, denn weltweit findet aktuell quasi eine Dauerattacke statt, weshalb ich allen Unternehmen ans Herz lege, in diesem Bereich nicht den Sparstift anzusetzen, denn das kann mitunter existenzgefährdend sein.

Einer der wichtigsten Treiber für die Digitalisierung war / ist das „Homeoffice“. Wie sieht Microsoft diese Entwicklung?
Bei uns wird „Homeoffice“ eigentlich über alle Levels hinweg seit mehr als einem Jahrzehnt praktiziert. Unseren Führungskräften ist es tatsächlich vollkommen egal, von wo aus man seine Arbeit verrichtet, solange man sie verrichtet. Wir nennen das unser „Vertrauensarbeitszeitmodell“.

Das klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Woher weiß man aber als Führungskraft, ob man den Mitarbeitenden vertrauen kann bzw. wie erfolgt das Monitoring?
Die Antwort hierauf lautet durchgängige Prozessdigitalisierung. Ich habe beispielsweise in meiner Abteilung das Glück, auf einen volldigitalisierten und volltransparenten Vertriebsprozess inklusive den entsprechenden (predictive) Analytics und Reports zurückgreifen zu können. Das bedeutet, ich weiß als Führungskraft auf Knopfdruck und zu jeder Tages- und Nachtzeit, welches Teammitglied an welchen Projekten arbeitet, wie seine Performance ist, welche Termine anstehen, ich kann sehen, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Mitarbeitenden ihr bzw. wir unser Ziel erreichen werden etc.

Somit verbringe ich als Führungskraft nicht meine Zeit damit, zu versuchen, meine Mitarbeiter zu kontrollieren, sondern kann mich voll und ganz auf meine Kernaufgabe, das Coaching, konzentrieren.

Das Ganze funktioniert aber klarerweise nur dann, wenn jeder im Team sehr diszipliniert die erforderlichen Daten einträgt.

Erfordert diese Form des selbständigen Arbeitens einen speziellen Mitarbeitertypus oder ist das System selbst ausreichend?
Ich würde sagen, das Geheimnis ist unsere Unternehmenskultur. Im Vertrieb von Microsoft ist jeder Mitarbeiter Unternehmer. Das zeigt sich auch in unseren Entscheidungsprozessen. Wir stellen unseren Mitarbeitern zwar sehr viele Informationen und Tools zur Verfügung, aber sie treffen immer selbst die Entscheidungen. Bei uns bedeutet Führung also nicht Kontrolle oder Vorgabe, sondern Unterstützung.

Gibt es für Sie als Führungskraft in der derzeitigen Situation auch Herausforderungen?
Selbstverständlich. Wir beobachten zum Beispiel, dass durch den tendenziell kompletten Wegfall der Büropräsenz der spontane Austausch unter den Teammitgliedern und die damit in Verbindung stehende „Schwarmintelligenz“ verloren geht.

Aus diesem Grund sind wir gerade dabei, unser Office-Konzept zu überarbeiten. Wir möchten einen Ort der Begegnung und Kollaboration schaffen, der für unsere Mitarbeiter so attraktiv ist, dass sie von sich aus wieder gerne und regelmäßig ins Büro kommen. Sie sollen im Büro quasi Energie für ihre Homeoffice-Tätigkeit tanken können.

Die Sinnhaftigkeit dieses Ansatzes wird übrigens auch von einer aktuellen Studie bestätigt, die aufgezeigt hat, dass in einem Post-Covid-Szenario 73 % der Beschäftigten zwar weiter von zu Hause aus arbeiten wollen, aber 68 % sich dennoch mehr Interaktion wünschen. Man nennt dieses Phänomen das „Hybrid-Work-Paradoxon“.

Eine weitere Herausforderung stellt die „Überproduktivität“ der Mitarbeiter dar. Mitarbeiter arbeiten im Homeoffice-Setting bis zu zwei Stunden mehr pro Tag. Das ist aus Unternehmenssicht zwar durchaus erfreulich, aber es kann auch zu einer Überlastung der Mitarbeiter führen.

Da wir dies vermeiden wollen, haben wir unter anderem „No-Meeting-Zones“ von 8:00 bis 9:00 und von 12:00 bis 13:00 Uhr eingeführt, um sicherzustellen, dass unsere Teammitglieder ausreichend Zeit für sich haben.

Vielen Dank, Herr Konwalinka, für das sehr interessante Gespräch! Falls unsere Kunden Interesse an den Ihrerseits genannten Lösungen haben, an wen dürfen sie sich wenden?

Sie dürfen sich gerne an mich persönlich wenden:

Jörg Konwalinka
jokonwal@microsoft.com

ALEXANDER MAYRHOFER IM GESPRÄCH MIT…
Jörg Konwalinka
JÖRG KONWALINKA
Head of Business Applications, Microsoft

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